Smart wohnen auf dem Land
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Der Drang in die Städte ist nach wie vor groß, während das Land an Attraktivität verloren hat. Unter anderem, weil in der Stadt die Versorgung besser ist, die Wege zur Arbeit kürzer und vor allem das Internet schneller. Digital liegen die Dörfer weit zurück. Das kann sich bald ändern, glaubt Steffen Hess vom Fraunhofer Institut und Innenministerium Rheinland Pfalz. Interview von Julia Ceitlina
Herr Hess, das Land hängt mit digitalen Angeboten immer noch hinterher.Vor allem bei den Bandbreiten des Internets muss sich noch viel tun, damit Dörfer mit den Städten konkurrieren können…
Steffen Hess: Vor allem wenn man sich das deutschlandweit anschaut und feststellt, dass zwei Drittel der Deutschen in eher ländlich geprägten Regionen leben. Das sind sozusagen alle Menschen, die in Städten und Dörfern mit weniger als 100.000 Einwohnern wohnen. Deswegen haben wir gesagt, wir müssen mit unserem Projekt Digitale Dörfer genau diese Menschen erreichen. Wir wollen herausfinden, ob Lösungen, die insbesondere in der Smart City Forschung entstanden sind, auf das Land übertragen werden können, ob die angepasst werden müssen, oder ob es da neuer Lösungen bedarf.
Wird die Zukunft des Dorfs nicht davon abhängen, dass zuerst grundlegende analoge Probleme wie die Versorgungsengpässe gelöst werden, bevor man digitale Probleme angeht?
Ich würde es eher als nicht optimale Situation bezeichnen. Aber ja, insbesondere die Versorgung mit Lebensmitteln gestaltet sich auf dem Land schwieriger, weil es im Ort zu wenige Läden gibt. Auch ärztliche Versorgung ist hier problematisch. Beim Thema Landarztmangel zeichnet sich eine Trendwende ab. Die Internetnutzung auf dem Land ist immer noch problematisch.
Warum wollen so viele in die Stadt, wenn es auf dem Land auch schön sein kann?
Ich glaube nicht, dass alle in die Stadt wollen. Es gibt auch den Trend zur Landlust. Man muss auch unterscheiden, in welchem Lebensabschnitt sich ein Mensch befindet. In ländlichen Regionen zu leben, ist stark ausgeprägt bei Familien aber auch bei jungen Menschen, die gerade ihre Ausbildung abgeschlossen haben und sich niederlassen wollen. Vorteile, die man auf dem Land hat, sind zum Beispiel ein günstiges eigenes Haus mit Garten. Das können sich junge Leute in der Stadt oft nicht leisten. Dieser Trend ist da, man will allerdings nicht auf die Vorzüge verzichten, die man im städtischen Leben hätte. Sprich: bessere Versorgung und schnellerer Zugang zu Angeboten. Insofern ist es immer ein Abwägen zwischen den Vor- und Nachteilen in der Stadt und denen auf dem Land zu leben.
Wie kann die Digitalisierung das Leben auf dem Land leichter machen?
Die Digitalisierung kann viele Dinge im ländlichen Raum effizienter gestalten, optimieren und dadurch auch leichter machen. Die Menschen, die schon auf dem Land leben, fühlen sich dort auch wohl. Aber digitale Lösungen können den Alltag deutlich erleichtern. Zum Beispiel bei der ärztlichen Versorgung, wenn durch die Digitalisierung Abläufe optimiert und unterstützt werden können. Ich kann Kommunikation viel effizienter gestalten – innerhalb der Familie, oder auch im Freundeskreis, gerade auch wenn man verteilter wohnt.
Funktioniert das schon jetzt?
Bei Mobilitätsangeboten funktioniert das beispielsweise schon sehr gut. Wie komme ich zum Arzt im Alter? Dazu zählen unter anderem Fahrdienste oder Bürgerbusse, die ehrenamtlich organisiert werden und über Apps einfach gebucht werden können. In der App sieht man immer den aktuellen Fahrplan, wird über Änderungen informiert und der Fahrer sieht umgekehrt auf dem Handy, welche Leute er mitnehmen muss. Auch die digitale Nahversorgung, wo man Lieferdienste hat, über welche man online regional bestellen kann bei Landwirten oder Geschäften aus dem Ort läuft schon jetzt ziemlich gut. Es gibt auch erste ärztliche Angebote, die sich mit Telemedizin befassen, aber da sind wir in Deutschland noch nicht so weit und haben Nachholbedarf.
Wie wird das künftig verbessert?
Wir arbeiten an einer breit angelegten digitalen Lösung, also App-Angebote, die von vielen ländlichen Regionen genutzt werden können. Es wäre nicht gut, wenn jedes Dorf seine eigene Lösung entwickelt. Das wäre ineffizient. Aber natürlich müssen regionale Besonderheiten angepasst werden können. Der digitale Kern von solchen Anwendungen ist aber immer derselbe: Wir wollen die Interessen von Menschen zusammenführen. Wenn jemand eine Bohrmaschine oder auch andere Sachen braucht, die gerade schwer für ihn erreichbar sind, kann er zum Beispiel in einer App nachschauen, ob das im Nachbardorf jemand hat. Außerhalb von Öffnungszeiten kann das schon sehr attraktiv sein. Außerdem stärkt das das Gemeinschaftsgefühl. In Städten gibt es Dienste wie Nachbarschaftsportale schon, die auch rege genutzt werden. Wir nennen das digitale Nachbarschaftshilfe.
Warum ist die Digitalisierung des ländlichen Raums so wichtig für Sie?
Ich wohne selber im ländlichen Raum, somit bin ich auch selber Kunde. Wir sind ein Institut, dass sich mit komplexen Softwaresystemen befasst und den Lebenszyklus betrachtet. Gerade wenn wir im ländlichen Raum tätig sind und nach Lösungen suchen, dann müssen viele bestehende Systeme, die auf dem ersten Blick nicht kompatibel sind, zusammengeschaltet werden. Wenn man das von der Informatik her sieht, ist das ein sehr spannendes Thema solche Ökosysteme zu entwickeln und zu gestalten, damit das Ergebnis am Ende sicher, zuverlässig und gut benutzbar funktioniert. Das sind die Dinge, die uns am Fraunhofer Institut beschäftigen. Wir sind sehr gut darin, solche Ökosysteme auszubauen und darüber zu lernen, wie man sie weiterentwickeln kann .
Glauben Sie, dass in Zukunft mehr Menschen aufs Land ziehen werden?
Ich glaube, dass das Land die Chance hat, mit Hilfe der Digitalisierung attraktiver zu werden und mehr Menschen aufs Land ziehen werden. Eine absolute Prognose kann ich da nicht machen. Zumal wir annehmen, dass die digitale Schere zwischen Land und Stadt auseinandergehen wird. Denn die Entwicklung in der Stadt geht derzeit schneller voran. So wird es immer Menschen geben, die lieber im urbaneren Raum leben. Ich hoffe aber, dass es sich in die Richtung entwickeln wird, dass beide Räume gleichermaßen attraktiv sind, je nachdem welche Bedürfnisse ich als Mensch habe und ich es mir selber aussuchen kann, in welchem Raum ich leben möchte .
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